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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: BAG bestätigt EuGH Urteil

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Das bedeutet das Arbeitszeit-Urteil für Deinen Betrieb


Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit aller Mitarbeiter erfassen – so klare Worte des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatten selbst Experten nicht erwartet. Was das Urteil für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet.

Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden exakt dokumentieren –  generell und ohne Ausnahme (Az.: 1 ABR 22/21). Damit ändert sich die geltende Rechtslage für die Arbeitszeiterfassung: Bislang mussten nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht aber die komplette Arbeitszeit.

Dabei spielt keine Rolle, ob es in dem Unternehmen einen Betriebsrat gibt oder nicht – die Arbeitszeit muss in jedem Betrieb aufgezeichnet werden.

Die wichtigsten Arbeitszeitregelungen findest Du hier als kompakte Zusammenfassung zum Download:

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Was ist mit Vertrauensarbeitszeit und Arbeit im Homeoffice?

Das BAG hat die Vertrauensarbeitszeit, mobiles Arbeiten und Homeoffice nicht von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Im Gegenteil – aus dem Hinweis des Gerichts, dass Arbeitnehmer vor Fremd- und Selbstausbeutung geschützt werden müssen, lässt sich schließen, dass die Arbeitszeit im Homeoffice erst recht dokumentiert werden muss.

Laut Einschätzung von Arbeitsrechtler Michael Kalbfus, Partner der Kanzlei Noerr in München, bedeutet das Urteil vermutlich einen „teils erheblichen Rückschritt in Bezug auf die in jüngerer Vergangenheit sehr beliebt gewordenen flexiblen Arbeitsmodelle“. Der Trend geht zu mehr Kontrolle.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 14.05.2019 in einem Urteil gegen die Deutsche Bank entschieden, dass Arbeitgeber in der Europäischen Union die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden komplett erfassen müssen. Hierzu verpflichtet die Arbeitszeitrichtlinie und die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Die in Deutschland übliche Erfassung nur von Überstunden reicht danach nicht aus.

Was  bedeutet das für die Regelungen im Arbeitszeitgesetz?

Zwar steht in § 16 des Arbeitszeitgesetzes, dass nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden müssen. Doch das ist nun hinfällig. Denn das BAG stützt seine Entscheidung auf das Arbeitsschutzgesetz. Nach dessen § 3 seien Arbeitgeber schon heute verpflichtet, „ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“. Das solle die Beschäftigten vor „Fremdausbeutung und Selbstausbeutung“ schützen, so das Gericht.

Dass die Richter nun plötzlich das Arbeitsschutzgesetz hervorholen, wo bislang alle nur vom Arbeitszeitgesetz redeten, liegt an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2019: Die europäischen Richter entschieden seinerzeit, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen müssen (Az.: C-55/18). EuGH-Urteile richten sich aber nicht an die Wirtschaft, sondern an den deutschen Staat, der seitdem dringend das Arbeitszeitgesetz reformieren muss – was ihm seit drei Jahren offensichtlich nicht gelingt.

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In den sozialen Netzwerken und Nachrichtenportalen wird seit Bekanntwerden des Urteils heftig diskutiert. Von Unsinnig, über Schwachsinn, zurück in die Steinzeit, Ätzend und Bürokratie-Monster ist die Rede. Die Aufregung ist sicherlich zu großen Teilen berechtigt. Allerdings erscheint die Diskussion auch sehr einseitig bei der Betrachtung. Man kann die Diskussion natürlich auf Überwachung und Bürokratie lenken. Geht es darum? Wir denken nicht. Passt eine pauschale Zeiterfassung für alle und jedes Unternehmen? Ebenfalls nein.

Moderne Zeiterfassung ist nicht mit einer Stechuhr zu vergleichen

Eine Zeiterfassung – richtig eingesetzt und sinnvoll genutzt – steht nicht im Widerspruch zu modernen Themen wie flexibler Arbeitszeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und New Work. Vertrauensarbeitszeit ist in aller Munde. Zu Recht. Allerdings ist dieses Arbeitszeitmodell statistisch gesehen vorteilhafter für den Arbeitgeber und nicht für die Arbeitnehmer. Agile Unternehmen wie der Telefonieanbieter sipgate aus Düsseldorf zeigen eindrucksvoll, dass New Work und agile Arbeitsmethoden keineswegs im Widerspruch zu einer Zeiterfassung stehen. Bei sipgate gibt es keine Überstunden.

Mit Zeiterfassungssystemen lässt sich immens viel Zeit in der Personalabteilung einsparen. Die Abrechnung von Mitarbeitenden kann wesentlich einfacher und schneller erledigt werden. Und diese Vorteile und Chancen fallen bei einer einseitigen Betrachtung des EuGH Urteils unter den Tisch. Bei der Erfassung der Lenkzeiten von LKW Fahrern herrscht geschlossene Einigkeit, das Ruhe- und Lenkzeiten einzuhalten sind. Wie sieht es in unseren Krankenhäusern usw. aus? Ernüchternd!

Zeiterfassungssysteme sind heute digitale Helfer für Ihre HR-Abteilung

Egal ob Home-Office, Außendienst, Montage, Werkstatt, Büro oder im Coworking Space. Zeiterfassungssysteme bieten heute vielfältige Möglichkeiten, um die Arbeitszeit Ihrer Mitarbeitenden am Buchungsterminal, per App auf dem Smartphone oder auch per Web und Intranet zu erfassen. Für Deine Mitarbeitenden entsteht faktisch kein Aufwand. Und für Deine Personalabteilung können wir den Verwaltungsaufwand nachhaltig reduzieren.

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Wird Arbeitszeiterfassung in Deutschland zur Pflicht? EuGH Urteil muss umgesetzt werden.

11.02.2019

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird demnächst entscheiden, ob Arbeitgeber eine tägliche Arbeitszeiterfassung aller ArbeitnehmerInnen einführen müssen. Der zuständige Generalanwalt am EuGH, Giovanni Pitruzzella, hält Unternehmen für verpflichtet, ein System wie z.B. die NovaTime Zeiterfassung zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Nach seiner Auffassung ergibt sich diese Pflicht aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Derzeit kennt das deutsche Arbeitszeitrecht keine generelle Pflicht zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung. Ein entsprechendes Urteil hätte daher auch für deutsche Unternehmen erhebliche Folgen.

Darum geht es

Auslöser des Verfahrens ist ein Rechtsstreit in Spanien. Mehrere spanische Gewerkschaften wollen im Wege einer Verbandsklage feststellen lassen, dass die Deutsche Bank SAE verpflichtet ist, ein System zur Arbeitszeiterfassung aller Arbeitnehmer einzuführen. Nach Auffassung der Gewerkschaften soll dies den Arbeitnehmervertretern die Kontrolle ermöglichen, ob das Unternehmen die vereinbarten Arbeitszeiten einhält.

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob sich eine derartige Verpflichtung aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und aus der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) ergibt.

In Spanien besteht – ähnlich wie in Deutschland – keine generelle Verpflichtung, die Regelarbeitszeit zu erfassen. Vorgeschrieben ist nur die Zeiterfassung von Überstunden und das Erfassen der Arbeitszeit bestimmter Gruppen, etwa für Teilzeitbeschäftigte, mobile Arbeitnehmer sowie für Beschäftigte in der Handelsmarine und bei den Eisenbahnen.

Schlussantrag des Generalanwaltes

Der für das Verfahren zuständige Generalanwalt Giovanni Pitruzzella spricht sich für die Position der Gewerkschaften aus. In seinen Schlussanträgen vom 31.1.2019 empfiehlt der Generalanwalt dem Gerichtshof festzustellen, dass sich aus der Charta und der Richtlinie 2003/88 die Verpflichtung von Arbeitgebern ergibt, ein Zeiterfassungssystem zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit für alle  Vollzeitarbeitkräfte einzuführen. Allerdings stünde es den Mitgliedstaaten frei, die für die Erreichung der praktischen Wirksamkeit der EU-Bestimmungen am besten geeignete Form der Erhebung der effektiven täglichen Arbeitszeit vorzusehen.

Rechtslage in Deutschland

Ähnlich wie in Spanien kennt auch das deutsche Recht keine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, sondern nur eine Reihe gesetzlicher Sonderfälle. Die in Unternehmen praktizierte Arbeitszeiterfassung aller Arbeitszeiten beruht häufig auf Tarifverträgen oder betrieblichen Regelungen. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Erfassung der über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehenden Überstunden (§ 16 ArbZG).

Das Erfassen der gesamten Arbeitszeit ist etwa vorgeschrieben:

  • nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) für geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV) und Beschäftige der vom Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (§ 2a SchwarzarbG) erfassten Branchen (§ 17 MiLoG)
  • für angestellte Fahrer (§ 21a Abs. 7 ArbZG) und selbstständige Berufkraftfahrer (§ 6 KrFArbZG)

Auch die zuständige Arbeitsschutzbehörde kann anordnen, dass ein Arbeitgeber alle Arbeitszeiten erfassen muss, um sicherzustellen, dass das ArbZG eingehalten wird (§ 17 ArbZG).

Welche Folgen hätte ein Urteil des EuGH?

Richtet sich der EuGH nach den Anträgen des Generalanwalts – und das tut der Gerichtshof in den meisten Fällen – hätte dies auch für Deutschland unmittelbare Auswirkungen. Auch das deutsche Arbeitszeitrecht (geregelt im ArbZG) dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/88/EG und muss sich nach dieser richten.

Nach den Anträgen soll der EuGH feststellen, dass nationale Rechtsvorschriften unwirksam sind, die der Verpflichtung der Arbeitgeber nach der Richtlinie entgegenstehen. Damit wären auch Betriebe zur täglichen Arbeitszeiterfassung verpflichtet, die dies bisher nicht praktizieren.

Neue Rechte für den Betriebsrat möglich

Dann könnten auch Betriebsräte aufgrund ihrer Überwachungspflicht verlangen, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Zeiterfassung einführt (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Bei der Ausgestaltung stünde dem Betriebsrat ebenfalls ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zu (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Ob die Entscheidung wie beantragt ergeht und welche Auflagen der EuGH Spanien und anderen Mitgliedsstaaten für die Umsetzung macht, bleibt abzuwarten. Arbeitgeber sollten die Entwicklung genau im Blick behalten. Erst die Entscheidung des EuGH wird genauere Auskunft darüber geben, welche Schritte unternommen werden müssen.

Quelle

EuGH (31.01.2019)
Aktenzeichen C-55/18
EuGH, Pressemitteilung vom 31.01.2019

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